Interkulturelles Lernen in Jugendbegegnungen und Workcamps initiieren und begleiten
Der gelebte Alltag in Jugendbegegnungen und Workcamps bietet zahlreiche Anlässe und Chancen für interkulturelles Lernen. Wie kann es initiiert und begleitet werden?
Der gelebte Alltag in interkulturellen Jugendbegegbungen und Workcamps bietet zahlreiche Anlässe und Chancen für interkulturelles Lernen. Wie kann es initiiert und begleitet werden?Interkulturelles Lernen soll hier verstanden werden als gleichberechtigter Prozess des wechselseitigen Lernens übereinander und miteinander verstanden wird. Zentraler Bezugspunkt eines solchen Lernens sind dabei die angenehmen und unangenehmen Erfahrungen und Erlebnisse, die im Zusammenleben und Zusammenarbeiten in der Jugendbegegnung bzw. im Workcamp zutage treten.
Interkulturelles Lernen …
initiieren
- Impulse setzen
- ‚Selbstverständlichkeiten’ einplanen
begleiten
- Erkundungen anleiten
- Austausch und Reflexion anregen
- Eingreifen und Auffangen
Impulse setzen
Mit Impulsen sind hier Methoden des interkulturellen Lernens gemeint, die auf Aspekte und Problembereiche interkultureller Begegnungen zielen und interkulturelle Kontaktsituationen simulieren. Innerhalb solcher Situationen können die TeilnehmerInnen Erfahrungen machen, die ihnen helfen, ihr Miteinander-Leben und -Arbeiten besser zu verstehen und zu gestalten. Zu solchen Impulsen gehören:
- Die Demonstration von Wahrnehmungsphänomenen,
- Übungen zu Grenzen und Grenzverletzungen,
- Übungen zu Kommunikationsschwierigkeiten und Problemen der Zusammenarbeit,
- Rollenspiele zu interkultureller Zusammenarbeit und Konflikten im Campalltag,
- Simulationen von interkulturellen Begegnungen (z.B. Karo meet Delta, Bei den Deridianern, Albatross, Bafa Bafa).
‘Selbstverständlichkeiten’ einplanen
Wie selbstverständlich findet in einer Begegnung ein Austausch über kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten statt. Dies entspringt direkt dem Interesse und der Motivation der TeilnehmerInnen, Land und Leute näher kennenzulernen, sich über kulturelle Eigenarten und Besonderheiten auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Eine Auseinandersetzung darüber sollte allerdings über ein reines Kennenlernen von folkloristischen Merkmalen hinausgehen, um die Vielschichtigkeit von Kultur, die auch Differenzierungen innerhalb eines kulturellen Orientierungssystems deutlich werden läßt, gerecht zu werden.
Methodisch bedeutet dies, im Programm folgende Elemente einzuplanden:
- Nationale Gerichte und Spezialitäten,
- Nationale Spiele, Lieder und Tänze,
- Raum für die eigene Sprache,
- Sprache(n) lernen, Sprachanimation, eine gemeinsame Begegnungs-/Campsprache entwickeln,
- Sich, sein/ihr Heimatland und seine/ihre Region/Stadt vorstellen,
- Bilder und Postkarten von Daheim ansehen,
- Deutschland/Polen kennenlernen (durch Ausflüge, Exkursionen, Bummeln, Spazieren gehen, Kneipenbesuch, Schützenfest, Brauereibesuch, usw.),
- Kleinere Spiele und Übungen zum interkulturellen Lernen (z.B. nationale Begrüßungen, Internationale Verkehrsmittel).
Erkundungen anleiten
Kulturelle Erkundungen bauen auf die Neugier der TeilnehmerInnen hinsichtlich des Gastlandes und der Länder der beteiligten TeilnehmerInnen. Die von der Leitung gesetzten Impulse zielen darauf, die Wahrnehmung der TeilnehmerInnen zu schärfen und innerhalb eines methodisch strukturierten Rahmens die gewonnen Erfahrungen zu bearbeiten und zu reflektieren. Dabei können die unterschiedlichen kulturellen Wahrnehmungen kontrastiert und Selbst- und Fremdwahrnehmungen miteinander konfrontiert werden.
Konkret läßt sich dies umsetzen, durch:
- Beobachtungsfragen bei Stadtbesichtigungen und Exkursionen,
- (Thematische) Spurensuche in der Stadt, in der Umgebung,
- Assoziationen zum eigenen Land mit denen anderer Länder vergleichen,
- Sprichwörter sammeln und auf ihre kulturellen Hintergründe durchleuchten,
- Statuentheater oder Theaterstücke zu typischen Situationen,
- Kreative Methoden aller Art: Malen, Zeichnen, Collagen, Arbeiten mit Ton, Stein oder anderen Materialien, Schreiben, Performance, usw.
Austausch und Reflexion anregen
Ausgangspunkt sind die selbständigen bzw. angeleiteten Erkundungen der TeilnehmerInnen. Ganz von selbst wird meist nebenbei gefragt und werden Vergleiche angestellt: „Und wie ist das bei Euch?“. Darüber hinaus geht es aber auch darum, konkrete Alltagserlebnisse aufzugreifen und zu besprechen. (Schlüssel-)Erfahrungen, die im informellen Bereich gesammelt werden, sollen von der Leitung aufgegriffen und gemeinsam mit den TeilnehmerInnen reflektiert werden. Der/Die CampleiterIn wird hier zum Begleiter bzw. kulturellen Vermittler.
Methodisch stehen den CampleiterInnen folgende Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung:
- Erkundungen, Ausflüge, Exkursionen, usw. nachbereiten, damit die gewonnen Erfahrungen ausgetauscht und reflektiert werden können,
- Bilder über die andere(n) Kulturen aufdecken: Was habt Ihr hier in … wahrgenommen? Was davon ist für Euch typisch …?
Kulturelle Regeln und Bedeutungen reflektieren und ggf. korrigieren, - Wahrnehmungen kontrastieren, das eigene Land/die eigene Kultur nicht nur von seiner schönen Seite zeigen,
- Im Studienteil weniger Inhalte vermitteln, sondern ihn als Ort des Austauschs und der Auseinandersetzung nutzen: Welche ökologischen Initiativen gibt es in Euren Ländern? In welchen Ländern ist Rassismus Thema? Welche ökologischen Probleme gibt es in Eurer Region? usw.
Eingreifen und Auffangen
Hier geht es um unmittelbare Interventionen: Sichtbar machen, was ist, meist ad hoc aus dem Prozess heraus und am Alltagsgeschehen orientiert. Der/Die LeiterIn sollte ein Gespür für Gruppenprozesse entwickeln, Spannungen zwischen TeilnehmerInnen, Stimmungsschwankungen und Konflikte in der Gruppe wahrnehmen lernen. Dieser Blick (oder dieses Gespür) für den/die Einzelne/n, die Gruppe, den Prozess entwickelt sich mit zunehmender Erfahrung im Umgang mit Gruppen. LeiterInnen können durch ein Lerntagebuch oder einen regelmäßigen Austausch im Team kontinuierlich die eigene Wahrnehmung dafür schärfen.
Praktisch bedeutet dies:
In Konflikten vermittelnd einzugreifen,
- Emotionale Unterstützung zu geben,
- Eine angenehme, vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen,
- Zeit und Raum für Zwischenauswertungen und gemeinsame Programmplanung vorzusehen,
- Einen Raum schaffen, um Gefühle auszudrücken und Erfahrungen mitzuteilen.
Interkulturelles Lernen …
initiieren
– Impulse setzen
– ‚Selbstverständlichkeiten’ einplanen
begleiten
– Erkundungen anleiten
– Austausch und Reflexion anregen
– Eingreifen und Auffangen
Interkulturelles Lernen passiert nicht von selbst, es muss aktiv initiiert und gestaltet werden. Voraussetzung dafür sind ausreichend Energiereserven, die die TeamerInnen / LeiterInnen in die Lage versetzt, die Dynamik der Gruppe zu verfolgen und für alle ansprechbar zu bleiben. Das bedeutet auch, dass sie sich von einigen Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten entlastet und die Selbstorganisation und Eigeninitiative der TeilnehmerInnen nutzt und fördert.
Quelle: Überarbeiteter Auszug aus: "Arbeiten in den Ferien? – Du spinnst wohl! – Interkulturelles Lernen im Rahmen von Workcamps" Lesen Sie hier